• Journalismus und Einblicke zweier Kulturen...

    „Kampfsterne“ von Alexa Henning von Lange

    Herein in die gute Stube! Wer diesen schrägen Willkommenssatz aus Deutschland (noch) kennt, für den ist das Buch wie ein altes Erinnerungsalbum. Im Grunde ein Handyfilm aus dem Jahr 1985. Schnell, kunstlos, aber voller Backflashs für Leser der Jahrgänge 1950 bis 1980. Wer so wie die Protagonisten in verkehrsberuhigten Architekten-Siedlungen aufgewachsenen ist, kann den Band getrost an Altersgenossen verschenken. Sie werden das Buch schnell verschlingen und sehr häufig dabei schmunzeln. In die Vitrine der literarischen Kostbarkeiten wird es der Titel bei niemandem schaffen, auch nicht auf das Siegertreppchen für die komplizierteste Handlung. Wirklich interessant ist die Lektüre eigentlich nur für Leser und Leserinnen, die diese Epoche nur vom Hörensagen kennen.

    Es ist viel geschrieben worden über die letzten Jahre der alten Bundesrepublik Deutschland (BRD) in der Ära Helmut Kohls. Nicht so viel, wie Erinnerungsbücher aus der DDR, dem anderen Teil Deutschlands, den es damals noch unverbunden daneben gab. Und nicht so viel wie über die Wende, das mühsame Zusammenwachsen der beiden getrennten Teile nach 1989.

    Bekannte Titel über das Alltagsleben in der alten BRD sind zum Beispiel die Generation Golf von Florian Illies aus dem Jahr 2001 und Das Beste, was wir hatten von Jochen Schimmang (2009). Die Generation Golf liest sich wie eine lange Kolumne über den Lebensstil der 80er Jahre in einem besinnungslos reichen Land. Das Buch ist sehr unterhaltsam, doch nicht mehr als eine Aufzählung von typischen Accessoires aus der Zeit – zum Beispiel Frottee-Stirnbänder und Pulswärmer für Tennisspieler. Das Beste, was wir hatten problematisiert ebenfalls nicht vordergründig, es beschreibt das Leben zweier befreundeter Paare in Bonn, als diese kleine Stadt noch Bundeshauptstadt war. Einer der beiden Männer arbeitet beim Verfassungsschutz – so harmlos kann das Buch demnach gar nicht sein. Dennoch steht vor der Handlung die Wehmut über den Verlust einer komplexen Gesellschaft, bevor Debattenreichtum zur Laberei wurde, freiwilliges Engagement zum Helfersyndrom und Pazifismus zur Harmoniesucht.

    Was beide Titel jedoch nicht zulassen, sind Innenansichten in das Lebensgefühl im Alltag dieser Zeit vor allem von Frauen und Kindern. In dieser Perspektive liegt das große Verdienst der Kampfsterne. Unproblematisch geht es da nicht zu, sonst würde das Buch nicht Kampfsterne heißen. Schließlich treffen Utopien nach einem anderen sozialen und ökologischen Leben – Der Feminismus! Die 68er! Die Grünen! – auf ein Bedürfnis nach Nachkriegs-Behaglichkeit und Genuss am endlich wieder guten und sicheren Leben. Die Räume werden mit weißen Teppichböden ausgestaltet und die Gärten in Stufen angelegt, in den Regalen stehen Bildbände von Helmut Newton. Wer dieser Zeit persönlich verpasst hat, kann sie mit der Lektüre dieses Buches so gründlich nachholen, als wäre er selbst dabei gewesen. Er wird aber auch merken: So viel Tolles verpasst hat er gar nicht in dieser guten Stube.

    Alexa Henning von Lange
    Kampfsterne
    DuMont Verlag
    Gebundene Ausgabe, 224 Seiten
    ISBN: 978 3 8321 9774 2

     

     

     

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